Strukturierte Produkte
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Was sind Strukturierte Produkte (Definition)?
Die Begriffskombination Strukturierte Produkte bezeichnet eine spezifische Produktgruppe innerhalb der Welt der Geldanlagemöglichkeiten.
Man spricht daher gleichbedeutend auch von strukturierten Finanzprodukten.
„Struktur“ kommt in das Produkt durch die Kombination von mehreren Anlageinstrumenten. Grundlage bildet dabei ein „klassisches“ Anlageprodukt, das mit sogenannten derivativen Komponenten (also Grundzügen von Derivaten) in ein Ereignisszenario eingebettet wird.
Die europäische Richtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) von 2014 definiert strukturierte Finanzprodukte als Wertpapiere mit derivativer Komponente, die sich auf einen zugrundeliegenden Vermögenswert beziehen und den Inhaber zum Empfang regelmäßiger Zahlungen aus dem Cashflow des Basisvermögenswertes berechtigen.
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Basiswerte und Derivate
Ein kurzer Blick auf die zugrundeliegenden Elemente, die gemeinsam ein strukturiertes Produkt bilden.
Klassische Basiswerte
Traditionelle (oder auch: gewöhnliche oder unstrukturierte) Finanzanlageprodukte sind dabei Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe, Geldmarktprodukte und die entsprechenden Fonds bzw. Indizes dazu.
Sie bilden den sogenannten Basiswert (engl. underlying), auf den sich das strukturierte Produkt bezieht.
Klassische Derivate
Derivate (daher „derivative Komponente“) umfassen zunächst einmal Optionen, Swaps, Forwards und Futures. Sie werden zu Zertifikaten und damit zu strukturierten Finanzprodukten durch die Einbettung in verschiedenste Ereignisszenarien.
Solche Szenarien sind zukünftige Kursentwicklungen, Barrieren (Untergrenzen, die eine Aktion im strukturierten Produkt auslösen), Caps (Obergrenzen) und dergleichen.
Ein „klassisches“ Derivat allein, also Option, Future, Swap oder Forward, ist ein stark standardisiertes (und im Fall von Option und Future börsengehandeltes) Anlageinstrument und gilt den bisherigen Definitionen und dem wirtschaftlichen Fachsprachgebrauch nach nicht im eigentlichen Sinne als strukturiertes Produkt.
Erst durch das Hinzutreten einer weiteren Komponente oder wenn sich das Derivat wiederum selbst auf ein Derivat bezieht, kommt es zum strukturierten Produkt.
Strukturierte Produkte sind IMMER Wertpapiere und daher mit einer Wertpapierkennnummer (WKN) und einer Internationalen Wertpapier-Identifikationsnummer (ISIN) verbunden, mittels derer sie eindeutig identifizierbar sind.
Strukturierte Produkte – Exemplarische Konstruktion eines Anlageproduktes
Ein Emittent bringt ein Produkt auf den Markt, das bis zu einer bestimmten Grenze (= Cap) Anteil an den Entwicklungen auf dem Aktienmarkt bietet bei gleichzeitigem Schutz vor hohen Verlusten (= Barriere).
Für die Konstruktion dieses Produktes bedeutet, dass im Hintergrund
- der Kauf eines Index oder bestimmter Aktien steht
- PLUS der Kauf einer Put-Option (zum Verkauf des Index bzw. der Aktien beim Erreichen der Schutzbarriere)
- PLUS der Verkauf einer Call-Option (zum Verkaufen des Index bzw. der Aktien bei Erreichen des Cap).
Abgrenzungsprobleme bei Strukturierten Produkten
Für viele neuere Finanzmarktprodukte fehlen oft noch die genauen Definitionen und damit Abgrenzungen bzw. Kategorisierungen.
Im Zuge der Rechtsprechung und Rechtsetzung wird dieses Manko nach und nach eingeholt, weil die genauen Abgrenzungen im Zweifelsfall z.B. für die Berechnung von Steuerlasten oder auch die gesetzlich vorgegebenen Informationen über Risiken vonnöten sind.
Die Einteilung von Zertifikaten in „derivativ“ oder „nicht-derivativ“ erfolgt meist anhand der Frage, ob sie eine Hebelkomponente enthalten oder sich ihrerseits auf ein Derivat als Basiswert beziehen (vgl. Fragenkatalog der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / BaFin).
Wenn beides nicht der Fall ist, gelten sie zwar als (strukturierte) Wertpapiere, aber nicht als Derivate im strengen Sinn.
Strukturierte Produkte – Zur Umsatzentwicklung
Der Umsatz und Handel mit diesen Finanzprodukten sind in einem ständigen Wachstum begriffen.
Insbesondere entstehen ständig neue Produkte, sogenannte Finanzinnovationen, die sich immer spezialisierter den besonderen Anforderungen von Märkten oder Marktteilnehmern anpassen. Sie sollen ermöglichen, dass Investoren ihr Geld exakt den individuellen Präferenzen gemäß anlegen können.
Für strukturierte Finanzprodukte liegen daher zum Gesamtvolumen des Handels keine leicht überschaubaren Informationen und Zahlen vor.
Allein für den Einzelbereich strukturierter Wertpapierprodukte weist allerdings der entsprechende Bundesverband in seiner monatlichen Statistik ein Handelsvolumen von beständig über 100 Mrd. EUR aus.
Davon werden zwar gemäß der oben genannten Definition nur ca. 3,5 % des Umsatzes mit derartigen Finanzprodukten im engeren Sinn erzielt (Stand Juni 2024), der Handel in dieser Produktkategorie beläuft sich damit jedoch auf mehrere Milliarden Euro monatlich.
Zudem wächst laut Ausweis dieser Statistik der Marktanteil kontinuierlich. Nimmt man die weiteren Produktkategorien hinzu (Optionen, Forwards, Futures, Swaps sowie Finanzinnovationen), gelangt man schnell in den Bereich von zig Milliarden EUR Umsatz pro Monat.
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Hauptmerkmale strukturierter Produkte
Wie der Name schon sagt, kennzeichnet diese Art von Finanzprodukten die Einbettung eines bestimmten Wertes in eine „Struktur“, d.h. in der Regel in ein mögliches Kursszenario und/oder Ereignisse in der Kursbewegung des Basiswertes.
Durch das Eintreten (oder auch Nicht-Eintreten) des Szenarios erfährt das strukturierte Produkt seine spezifische Wertentwicklung.
Hier eine Übersicht über die wesentlichen Merkmale strukturierter Anlageprodukte:
Einbettung eines Basiswertes in eine Struktur
Den Produkten liegt oft eine Aktie, eine Anleihe oder ein Zertifikat zugrunde, das mit einem oder mehreren Derivaten, wie Optionen oder Swaps, kombiniert wird. Dies ermöglicht es, die Ertragsstruktur an bestimmte Markterwartungen oder Risikoneigungen anzupassen.
Beispielsweise können Investoren ihr Geld damit so anlegen, dass Kursentwicklungen „überzeichnet“ (im Sinne einer überproportionalen Wertentwicklung des Produktes bei steigenden oder fallenden Kursen) oder auch „gedämpft“ (im Sinne einer Verlustbegrenzung, also unterproportionaler Wiedergabe der Kursentwicklung) werden.
Spezifische Zielsetzung
Diese Finanzprodukte zielen darauf ab, Anlegern den Zugang zu Märkten oder Anlagestrategien zu ermöglichen, die sonst nur schwer zugänglich wären, oder um bestimmte Risikomanagementziele zu erreichen.
Sie sind ursprünglich für professionelle Anleger wie Stiftungen, Pensionsfonds oder Staatsfonds entwickelt worden, stehen aber mittlerweile unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Nachweis von protokollierter Beratung zum Produkt) auch Privatanlegern offen.
Die Zielsetzungen gehen in der Regel über die normalerweise erreichbaren Ziele bei klassischen Anlagen hinaus, z.B. können sie Kapitalschutz bieten, höhere Erträge generieren, Portfoliopositionen gegeneinander abstützen (sogenanntes hedging) oder an der Entwicklung bestimmter Märkte Anteil geben.
Strukturierte Produkte bieten außergewöhnliches Renditeprofil
Strukturierte Produkte können sowohl festverzinsliche als auch variable Renditen bieten, je nachdem, wie die zugrunde liegenden Derivate gestaltet sind.
Diese Rendite ist in aller Regel an die Entwicklung eines bestimmten Basiswertes (z.B. eines Aktienindex) gekoppelt.
Sowohl durch die Möglichkeit zur Dämpfung von Verlusten als auch zur Hebelung von Gewinnen bieten sie im Vergleich zu klassischen Anlageformen ungewöhnliche Möglichkeiten zur Generierung von Rendite und bringen so ein spezifisches Renditeprofil hervor.
Downside Hohe Risiken
Diese Art von Finanzprodukten kann ein deutlich höheres Risiko beinhalten als traditionelle Anlagen, da sie nicht nur von der Entwicklung der zugrunde liegenden Basiswerte, sondern zusätzlich von den spezifischen Bedingungen des (derivativen) Produkts abhängen.
Dazu gehören also Kursrisiken, Marktrisiken, Kreditrisiken, Liquiditätsrisiken und die Gefahr, dass der Emittent des strukturierten Produkts zahlungsunfähig wird (= Emittentenrisiko).
Überblick über alle strukturierte Anlageprodukte
Strukturierte Produkte nach der oben genannten Definition der Europäischen Finanzaufsicht sind:
- Strukturierte Wertpapiere
Dieser Bereich wird anhand einiger Beispiele nachfolgend eingehend erläutert. - Cap-Darlehen/Floor-Darlehen (auch: Cap- oder Floor-Floater)
Darlehen mit variablem Zins, der bestimmte Grenzen nach unten (floor) oder oben (cap) nicht überschreiten darf. - Collars
Kombination aus Cap- und Floor-Darlehen. - Indexanleihen
Zinsanleihe mit Kopplung an einen Index, vorzugsweise einen Verbraucherpreisindex zum Inflationsschutz. - Verbriefungen
Ausstellung eines handelbaren Wertpapieres auf Eigentumsrechte oder Forderungen. - Asset backed Securities
Forderungs- oder Wertpapierbesicherte Anleihen.
Der größere Teil dieser Produkte spielt nur im Bereich institutioneller und professioneller Anleger eine Rolle.
Lediglich bei den strukturierten Wertpapieren handelt es sich um Anlageinstrumente, die mittlerweile sowohl von der Verfügbarkeit als auch vom Handelsvolumen her für Privatanleger eine Rolle spielen.
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Strukturierte Wertpapiere genauer erklärt
Strukturierte Wertpapiere allgemein
Der deutsche Bundesverband für strukturierte Wertpapiere benennt mit dieser Kategorie alle marktüblichen Zertifikatstypen (12 an der Zahl). Nach der Definition von MiFID II gelten allerdings nur diejenigen unter ihnen als strukturierte Produkte im engeren Sinn, die sowohl eine derivative Komponente als auch einen Hebel enthalten.
Die Produkte werden von einem Emittenten zum Verkauf oder Ankauf angeboten.
Der Verkaufspreis (für Anleger: Kaufpreis) wird auch Briefkurs genannt, der Ankaufspreis (für den Anleger: Verkaufspreis) heißt Geldkurs.
Zwischen beiden ist eine gewisse Spanne (engl. spread), die Geld-Brief-Spanne. Je höher sie ist, desto illiquider (= schwerer zu handeln) ist in der Regel der Basiswert.
Das Bezugsverhältnis zum Basiswert
Des Weiteren ist für den Preis eines strukturierten Produkts das Bezugsverhältnis zum Basiswert wichtig. Es gibt den Hebel an, mit dem sich das Wertpapier auf den Basiswert bezieht.
Ein Bezugsverhältnis von 1:5 bedeutet z.B., dass 1 strukturiertes Wertpapier sich auf die Kursentwicklung von 5 Anteilen des Basiswertes bezieht.
Die drei – derzeit – beliebtesten Produkte dieser Kategorie werden im Folgenden etwas genauer vorgestellt. In ihrem Namen begegnet jeweils „Optionsschein“, und im Prinzip basieren sie alle auf der gleichen Funktionsweise.
Allerdings unterscheiden sie sich auch maßgeblich in einigen Sachverhalten, weswegen sie letztlich als unterschiedliche Produkte angesehen werden:
Optionsscheine
Mit einem Marktanteil von knapp 40 % innerhalb der strukturierten Finanzprodukte (im engeren Sinn der oben genannten Definition) und damit einem Umsatzvolumen von mehr als 1,4 Mrd. EUR monatlich belegen sie regelmäßig den ersten oder zweiten Platz innerhalb dieser Kategorie.
Optionsscheine (engl. warrants) sind im Gegensatz zu Optionen (engl. options) Wertpapiere.
Allerdings beinhalten Optionsscheine wie Optionen das Recht (aber nicht die Pflicht!) zum Kauf (Call Optionsschein) oder Verkauf (Put Optionsschein) eines bestimmten Basiswertes zu einem festgelegten Zeitpunkt (meist mit deutlich längerer Laufzeit als Optionen) und zu einem festgelegten Preis.
Durch die Festlegung eines Bezugsverhältnisses (z.B. 1:10; bedeutet: ein Optionsschein bildet den Kursverlauf von 10 Aktien ab) beinhalten Optionsscheine einen Hebel, also einen Vervielfältiger, der den Kapitaleinsatz auf die Entwicklung im Basiswert multipliziert.
Ein Zahlenbeispiel
Die Aktie eines Telekommunikationsanbieters steht bei 13,70 EUR. Ein Put-Optionsschein für diese Aktie kostet 0,22 EUR Geldkurs, 0,26 EUR Briefkurs (Spread also 0,04 EUR). Seine Restlaufzeit beträgt knapp 3 Monate, der Basispreis liegt bei 10.- EUR, das Bezugsverhältnis ist 1:1.
Das bedeutet im Klartext: Für 26 Cent (Briefkurs) kann ich das Recht kaufen, zum Stichtag der Restlaufzeit den Differenzbetrag zwischen dem Kurs der Aktie und dem Basiswert zu bekommen. Für 22 Cent kann ich das gleiche Recht verkaufen.
Liegt der Aktienkurs am Stichtag unter dem Basiswert, beispielsweise bei 9 EUR, habe ich mit 26 Cent Einsatz in diesem Fall 74 Cent Gewinn gemacht – eine Vervielfältigung meines Kapitals mit dem Faktor 2,8. Liegt der Kurs zum Stichtag über 10 EUR, habe ich 26 Cent Verlust gemacht.
Für den Preis der Aktie (13,70 EUR) könnte ich 52 solcher Optionsscheine kaufen und damit einen Gewinn von 25,47 EUR (Kursgewinn abzüglich Kapitaleinsatz, also 38,99 EUR – 13,52 EUR) erzielen.
Zum Vergleich: Um den gleichen Gewinn mit dem Erwerb der Aktie zu erzielen, müsste sie um 185 % steigen.
Wichtige Parameter bei Optionsscheinen sind der Basispreis im Verhältnis zum aktuellen Basiswertkurs, die Geld-Brief-Spanne, das Bezugsverhältnis sowie die Restlaufzeit des Scheines.
Knock-out Optionsscheine
Sie sind einfachen Optionsscheinen ähnlich, beinhalten aber zusätzlich Barrieren (Knock-out-Barriere), die nicht berührt oder über- bzw. unterschritten werden dürfen.
Wie bei Optionsscheinen kann man auf steigende oder fallende Kurse setzen; die Bezeichnung heißt hier dann „long“ (= call; steigende Kurse) oder „short“ (= put; fallende Kurse).
Werden während der Laufzeit Barrieren berührt oder gebrochen, verfällt das Wertpapier wertlos und führt zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.
Knock-out-Optionsscheine sind noch einmal günstiger im Ankauf als einfache Optionsscheine und ermöglichen so mit vergleichsweise kleinen Beträgen den Einsatz auf eine große Position im Basiswert.
Ein Zahlenbeispiel
Wir nehmen wieder die Aktie des obigen Telekommunikationsunternehmens, die einen Kurswert von 13,70 EUR aufweist.
Ein Put-Knock-out-Optionsschein dieser Aktie mit Hebel 3,4 kostet Geldkurs 3,88 EUR, Briefkurs 3,98 EUR (Spread also 0,10 EUR). Der Basispreis liegt bei 17,47 EUR, ebenso die Knock-out-Barriere. Das Bezugsverhältnis ist 1:1.
Dieser Knock-out-Optionsschein hat keine Laufzeit (Open-End-Zertifikat) und kann tagesaktuell gehandelt werden (Mindesthaltezeit 1 Tag).
Anmerkung: Der Preis des Produktes entspricht fast genau dem vereinbarten Basispreis abzüglich des momentanen Kurswertes der Aktie – ansonsten wäre es von vornherein ein deutliches Minusgeschäft für eine der beiden Seiten.
Ich kaufe also für 3,98 EUR (Briefkurs) das Recht, zu einem von mir gewählten Zeitpunkt die Differenz zwischen dem Tageskurs des Basiswertes und dem Basispreis ausgezahlt zu bekommen – es sei denn, der Kurs steigt auf oder über 17,47 EUR.
Gewinn nach fünf Börsentagen
Nehmen wir an, nach fünf Börsentagen steht der Kurs bei 11 Euro, und ich verkaufe den Schein. Die Berechnung meines Gewinns aus diesem Spekulationsgeschäft erfordert mehrere Schritte:
- Die Differenz zwischen Basispreis und aktuellem Kurswert: 17,47 EUR – 11 EUR = 6,47 EUR.
- Multipliziert mit dem Hebel: 6,47 x 3,4 = 21,99 EUR.
- Abzüglich meiner Kosten: 21,99 – 3,98 = 18,01 EUR.
Das entspricht dem Faktor 4,5, mit dem sich mein eingesetztes Kapital in diesem Fall vervielfältigt hätte. Für den ungefähren Gegenwert der Aktie (13,70 EUR) könnte ich 3 solcher Knock-out-Zertifikate erwerben und damit also rd. 54 EUR Gewinn machen.
Berührt der Kurs der Aktie allerdings die Schwelle von 17,47 EUR, wird mein Papier wertlos und ich habe 3,98 EUR (beim Erwerb eines Zertifikates) bzw. 11,94 EUR (beim Erwerb von dreien) Verlust gemacht.
Zum Vergleich: Um den gleichen Gewinn mit dem Erwerb der Aktie zu erzielen, müsste ihr Kurs um 394 % steigen.
Bei den Anlegern sind Knock-out-Zertifikate mittlerweile ebenso beliebt wie einfache Optionsscheine: Im Juni 2024 betrug ihr Marktanteil innerhalb der Hebelprodukte sogar knapp 42 % und übertraf damit die klassischen Optionsscheine.
Faktor-Optionsscheine
Im Unterschied zu klassischen Optionsscheinen haben sie keine festgelegte Laufzeit und oft auch keinen Basispreis. Sie hebeln (mit einem konstanten Hebel) auf Tagesbasis den Kurswert des Basiswertes, auf den sie sich beziehen.
Wie bei den Knock-out Optionsscheinen spricht man von „long“ (erwarteter Kursanstieg) und „short“ (erwarteter Kursrückgang) bzw. von Long-Faktor und Short-Faktor Optionsscheinen.
Der „Faktor“ des Wertpapieres wird beim Kauf festgelegt und bestimmt über den bei gewöhnlichen Optionsscheinen ohnehin vorhandenen Hebel den zusätzlichen Vervielfältiger, mit dem Kursentwicklungen im Basiswert „überzeichnet“ werden.
Faktor 5 würde z.B. heißen, dass Kursbewegungen im Basiswert 5-fach überzeichnet werden. Bei einem Bezugsverhältnis von z.B. 1:2 würde man so zu einer 10-fach überzeichneten Kursentwicklung gelangen.
Der Emittent als Vertragspartei zum eingegangenen Geschäft muss dieses Geschäft absichern, meist indem er den zugrundeliegenden Basiswert kauft. Dabei fallen Finanzierungskosten an, die in den Preis des Faktor-Optionsscheins mit eingehen.
Neuermittlung des Produkts bei Reset-Barrieren
Manche Produkte enthalten sogenannte Reset-Barrieren: Erreicht der zugrundeliegende Basiswert diese Barriere, werden die verschiedenen Faktoren des Produktes neu ermittelt und zur neuen zukünftigen Grundlage der Kapitalanlage.
Der Anleger kann das Produkt dann zwar kündigen, muss aber von einem Totalverlust ausgehen.
Die sogenannte Pfadabhängigkeit
Eine weitere Besonderheit dieser Papiere besteht in ihrer sogenannten Pfadabhängigkeit.
Kursveränderungen im Basiswert schlagen tagesaktuell auf den Wert des Faktor-Optionsscheines durch, so dass bei unerwarteten Kursverläufen bei längerer Haltedauer überproportional gegenläufige Entwicklungen notwendig sind, um den ursprünglichen Wert des Papieres wieder zu erreichen bzw. zu übertreffen.
Ein (vereinfachtes) Zahlenbeispiel ohne Darstellung der Pfadabhängigkeit
Wir nehmen als Basiswert wieder die oben genannte Aktie im Kurswert von 13,70 EUR. Ein Faktor-Zertifikat Short mit Faktor -2 auf diese Aktie kostet Geldkurs 12,81 EUR, Briefkurs 12,98 EUR (Spread 0,01 EUR). Der Basispreis beträgt 20,49 EUR. Eine Reset-Barriere ist bei 19,61 EUR eingebaut.
Ich kann also für 12,98 EUR mit dem Faktor 2 an einer Negativentwicklung der zugrundeliegenden Aktie profitieren.
Nehmen wir an, nach fünf Tagen steht die Aktie wie in den obigen Beispielen bei 11 EUR und der Anleger beschließt den Verkauf des Faktor-Optionsscheines (idealisiert zum tatsächlichen Kurswert). Wieder braucht die Berechnung des Gewinnes mehrere Schritte:
- Differenz zwischen Basispreis und Kurswert: 20,49 – 11 = 9,49 EUR.
- Multipliziert mit dem Faktor: 2 x 9,49 = 18,98 EUR.
- Abzüglich meiner Kosten: 18,98 – 12,98 = 6.- EUR.
Mein Kapital ist also um knapp 50 % mehr geworden. Im Vergleich zum Optionsschein des obigen Beispiels mag das als verhältnismäßig wenig erscheinen.
Dieser Gewinn wurde aber zum einen innerhalb weniger Tage erzielt (Optionsschein: 3 Monate), zum anderen schon beim Erreichen eines Kurses von 11 Euro (statt 9 Euro wie beim Optionsschein im obigen Beispiel).
Sollte der Kurs des Basiswertes steigen, kann ich mein Zertifikat mit größter Wahrscheinlichkeit nur unter Inkaufnahme von Verlusten verkaufen.
Wird gar die Reset-Barriere erreicht, läuft das Produkt fortan unter veränderten Bedingungen und ich stehe vor der Entscheidung, ob ich es kündige und einen möglichen Totalverlust in Kauf nehme oder unter den neuen Bedingungen auf einen Kursrückgang warte.
Im Unterschied zu Knock-out-Produkten habe ich aber immerhin diese Option.
Beispiel für die Pfadabhängigkeit
Ein (vereinfachtes) Beispiel für (nur!) die Pfadabhängigkeit: Ein Anleger erwirbt einen Faktoroptionsschein Long mit Faktor 2 zu einem Basiswert mit Kurswert 10.- EUR. ER erwartet also steigende Kurse.
Am ersten Tag fällt der Basiswert nun etwas überraschend um 10% im Wert (also auf 9.- EUR). Für den Faktor-Optionsschein bedeutet das durch den Faktor einen Wertverlust von 20 %.
Selbst wenn nun der Basiswert am Folgetag wieder auf 10.-EUR Kurswert steigt, wird dadurch der Wertverlust des Faktoroptionsscheines nicht ausgeglichen, da er am Folgetag – tagesaktuell! – von den 9.- EUR aus berechnet wird.
Faktor-Optionsscheine werden daher vor allem für sehr kurzfristige Anlagestrategien verwendet.
Nicht zuletzt aufgrund des enormen Risikoprofils machen Faktor-Optionsscheine mit rund 14 % nur einen kleinen Teil des Marktes innerhalb der Hebelprodukte aus. Immerhin beträgt damit der monatliche Handel in Deutschland aber bis zu 500 Mio. EUR.
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Strukturierte Produkte – Chancen und Gefahren
Vorteile strukturierter Produkte
Aus den bisherigen Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, worin die wesentlichen Vorzüge dieser Anlageprodukte bestehen:
- Flexibilität: Sie bieten Anlegern die Möglichkeit, maßgeschneiderte Investitionsstrategien mit hochindividuellem Rendite-Risiko-Profil umzusetzen, die sowohl an Ertragsnotwendigkeiten (etwa bei institutionellen Investoren) als auch an die spezifischen Erwartungen und ihre Risikobereitschaft angepasst sind.
- Diversifikation und Hedging: Durch die Kombination verschiedener Anlageklassen und Derivate können diese Produkte helfen, das Portfolio zu diversifizieren. Auch kann man damit das Kapital so anlegen, dass sich unterschiedliche Portfoliopositionen gegeneinander abstützen. Die Diversifikation umfasst auch Möglichkeiten, kurze, mittlere und lange Laufzeiten verschiedenster Produkte in unterschiedliche Strukturen einzubetten und so beständige Erträge zu generieren.
- Spekulation und Renditemaximierung: Strukturierte Anlageprodukte bieten die Möglichkeit, auch bei Abwärts- und Seitwärtsbewegungen von Märkten oder einzelnen Basiswerten Rendite zu erzielen. Hebel- und Faktor-Produkte bergen darüber hinaus Chancen auf überproportionale Gewinne.
Nachteile strukturierter Produkte
Diesen Vorzügen stehen selbstredend auch spezifische Nachteile gegenüber:
- Komplexität: Die Struktur und Funktionsweise dieser Produkte sind enorm komplex und können für Anleger schwer verständlich sein.
- Hohes Risiko: Vor allem bei Hebelprodukten besteht die Gefahr, überproportionale Verluste bis hin zu Totalverlusten einzufahren. Darüber hinaus bestehen Gefahren nicht nur in Markt- und Kursrisiken, sondern auch im Emittentenrisiko. Der Anbieter des Produktes kann insolvent werden und den Gegenwert des Wertpapieres nicht mehr bedienen können.
- Kosten: Die oft hohen Kosten und Gebühren können die Rendite mindern. Sie sind meist nicht explizit ausgewiesen in der Produktbeschreibung, da sie nicht einfach pauschal von der Rendite abgezogen werden. Stattdessen können sie vom Emittenten relativ einfach in der Konstruktion der Produktstruktur „versteckt“ werden.
Strukturierte Produkte sind daher für Anleger geeignet, die bereit sind, sich intensiver mit der Funktionsweise und den Risiken dieser Instrumente auseinanderzusetzen und die gegebenenfalls eine höhere Risikobereitschaft aufweisen.
Lohnen Strukturierte Produkte?
Strukturierte Produkte zeichnen sich durch hohe Komplexität aus.
Sie erfordern nicht nur anfangs viel Zeit, sich eingehend mit Informationen über Märkte, Produkte und Funktionsweisen auseinanderzusetzen, sondern bedürfen im Grunde genommen einer ständigen Aufmerksamkeit für das Marktgeschehen, um sie sinnvoll und nutzbringend einsetzen zu können.
Nachdem es sich dabei noch dazu um Wertpapiere handelt, liegen die tatsächlichen Diversifikationsmöglichkeiten dieser Anlageprodukte in einem begrenzten Rahmen.
Man möchte fast sagen: Es ist mehr – und riskanteres – vom Gleichen, da viele Privatanleger bereits gut mit Aktien- und Anleiheinvestments aufgestellt sind.
Will man sein Geld tatsächlich mit einer großflächigen Diversifikation anlegen, sollte man daher eher generell andere Anlageklassen wie z.B. Sachwerte in den Blick nehmen.
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