Gastbeitrag:

Geistreich investieren?

Wenn wir in diesen Tagen das alljährliche Pfingstfest begehen und uns dabei unserer christlichen kulturellen Wurzeln erinnern, dann wird viel vom „Geist“ die Rede sein: Die christlichen Konfessionen feiern die Sendung des „Heiligen Geistes“, der auf die versammelten Jünger Jesu herabkam und sie zum Kern dessen formte, was wir seitdem und bis heute als „Kirche“ bezeichnen.

Vom „Geist“ wird aber darüber hinaus in vielen verschiedenen Kontexten gesprochen – wenig jedoch im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen und Kapitalanlagen. Gibt es keine „geistreichen“ Investmentmöglichkeiten, keine „geistigen“ Herausforderungen des Sektors, keinen „Esprit“ bei Beratungsgesprächen?

Widerspricht die Begrifflichkeit am Ende dem, was im Bereich Finanzen vorherrschen sollte, nämlich (kühle) Sachlichkeit und Analytik, fundierte Prognostik und realistisch kalkulierte Rendite?

Immerhin, manchem Berater ist bei der Vorstellung der verschiedenen Möglichkeiten, die er im Portfolio mitbringt, die „Begeisterung“ für das ein oder andere Produkt anzumerken. Wenn es gut geht, springt „ein Funke der Begeisterung“ auf den Kunden über.

Doch gibt es Kriterien, die „Be-Geisterung“ rechtfertigen oder nahelegen? Gibt es einen „Geist“, der auf den Finanzmärkten herrscht oder wenigstens hier und da anzutreffen ist? Oder einen „Geist“, in dem Beratungsgespräche und Abschlüsse stattfinden? Mit welcher „geistigen“ Disposition gehen wir auf das Thema Finanzen und Kapitalanlagen zu und wie damit um? „Wes Geistes Kind“ sind wir, wenn und während wir uns auf dem Markt der Geldanlagen bewegen?

Investitionen sind so alt wie die Menschheit: Der eine stellt dem anderen seine Arbeitskraft zur Verfügung – nicht aus reiner Gefälligkeit, sondern in der Erwartung, selbst auf die Hilfe des anderen zurückgreifen zu können, wenn es notwendig ist. In einer Tauschwirtschaft erhielt man für die eingesetzte Arbeitskraft ein vorher ausgehandeltes Gut, mit Einführung des Geldes konnte jede Leistung in einen Betrag umgerechnet werden.

Nicht uninteressant ist die Tatsache, dass „investieren“ vom lateinischen „in-vestire“ kommt, was „bekleiden, einkleiden“ heißt. Im Mittelalter wurde der Begriff zum Synonym für eine Amtsübernahme (Investitur), bei der der Amtsträger mit seinen Amtsgewändern bekleidet wurde. Mit Beginn der Neuzeit und der entstehenden Marktwirtschaft wurde die Bedeutung des Wortes noch ausgedehnter übertragen im Sinne von „dem Geld ein anderes Gewand geben“ = eine Investition tätigen/das Geld anlegen. (Quelle: https://www.dwds.de/wb/Investition)

So alt die Tatsache der Investition ist, so ambivalent ist sie von Anfang an: Man konnte schon immer auf das falsche Pferd setzen, eine Fehl-Investition tätigen, am Ende mit leeren Händen dastehen, mit seinen Investitionen in dubiose Machenschaften verstrickt sein und vieles andere mehr – genauso, wie sich Investitionen schon immer lohnen konnten, der guten Sache dienten, sie sich am Ende ausbezahlt haben etc.

Dabei tritt selten der Fall ein, dass diese Einschätzungen alleine im Auge des Betrachters liegen, denn Investitionen sind eine Form des Rechtsgeschäftes, das zumindest EINEN weiteren Beteiligten voraussetzt und damit bereits eine Art von Öffentlichkeit erfährt. Mindestens die beiden unmittelbar Beteiligten müssen sich beim Eingehen des Investments über den gegenseitigen Nutzen des Geschäftes einig sein, sonst kommt es nicht zustande. Wer in betrügerischer Absicht auf dem Markt tätig wird, also sozusagen einen schlechten Geist hineinträgt, wird über kurz oder lang keinen Geschäftspartner mehr finden – weil das Zustandekommen von Investitionen von der beidseitigen Zustimmung abhängig sind.

Soweit der Exkurs zum Grundphänomen der Investition, mit dem Fazit: Die Grundform eines „guten Geistes“ ist für das langfristige Funktionieren jedes Wirtschaftssystems unerlässlich, macht aber keinesfalls Kontroll- und Sanktionsinstanzen überflüssig; derartige Institutionen schützen den guten Geist, der für den Abschluss von Geschäften notwendig ist.

Heute stehen wir vor dem Phänomen, dass in einer globalisierten Wirtschaft unvorstellbare Investitions-Summen nahezu grenzenlos beweglich sind; sie suchen sich nach den Regeln des Marktes diejenigen Investitions-Objekte, die den jeweiligen Investitionszielen der Marktteilnehmer am genauesten entsprechen – nicht selten steht die Rendite dabei im Vordergrund, aber auch die Sicherheit und Verfügbarkeit des angelegten Kapitals spielen traditionell eine entscheidende Rolle bei der Investitionsentscheidung (sog. Geldanlage-Dreieck).

Mit dem Bewusstsein der globalen Zusammenhänge und Vernetzung im Hintergrund, steht jeder zeitgenössische Investor allerdings zunehmend auch vor ethischen Grundentscheidungen: zu wessen Geistes Kind mache ich mich mit meinen Investments? Wer sich dieser Frage nicht stellt, wird von anderen Marktteilnehmern über kurz oder lang wohl nicht ganz zu Unrecht als „geist-los“ wahrgenommen werden.

Schon vor mittlerweile mehr als 15 Jahren hat daher eine Investoreninitiative in Zusammenarbeit mit der UNO die UN Principles for Responsible Investment erstellt, die sich mit inzwischen über 3.500 Unterzeichnern und etwa 120 Billionen US-Dollar Assets under Management signifikant über alle Sektoren hinweg ausgebreitet haben. (Quelle: https://www.unpri.org/about-us/about-the-pri)

Vorrangiges Ziel ist die Etablierung und Implementierung der sogenannten ESG-Kriterien:

  • Environment: Die Umwelt muss angesichts der drohenden Klimakatastrophe in höchstem Maße geschont werden; Verschmutzungen/Emissionen sind nach Möglichkeit drastisch zu reduzieren, neue Technologien werden nach ihrer CO2-Neutralität oder/und ihrem generellen Impact auf die Umwelt beurteilt und implementiert. Im Energiesektor wird auf erneuerbare Energieträger umgestellt, Rohstoffe müssen möglichst schonend und minimiert eingesetzt und verbraucht werden.
  • Social: Unternehmen müssen sich parallel zum eigentlichen Geschäftsbetrieb damit beschäftigen, welches soziale Klima in ihnen herrscht, wie Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen Anwendung finden und welche Rechte den Arbeitnehmern zukommen. Darüber hinaus sind verbundene Dienstleister und Lieferanten daraufhin zu überprüfen, dass an keinem Punkt auch in eventuellen Lieferketten Kinder- und Zwangsarbeit stattfindet.
  • Government: Auch die Unternehmensführung selbst muss die Unabhängigkeit von Kontrollinstanzen gewährleisten, auf allen Ebenen in ihrem Handeln nach ethischen Kriterien vorgehen, Korruption unterbinden und ein angemessenes Risikomanagement aufweisen.

Für jeden Bereich haben Rating-Agenturen Kennzahlen entwickelt, anhand derer sich verschiedene Investitionsmöglichkeiten nach der Umsetzung der ESG-Kriterien miteinander vergleichen lassen. Und tatsächlich: Die Nachfrage nach entsprechenden Investments ist beständig im Steigen, so dass der Ausweis dieser Kennzahlen in Deutschland zum Standard geworden ist; Unternehmen müssen gemäß geltendem europäischen Recht ohnehin seit einigen Jahren einen Jahresbericht zu den Entwicklungen und Projekten im Bereich der genannten Kriterien vorlegen.

Geist-volles Investieren nach etablierten, nachprüfbaren und messbaren Kriterien ist also möglich – und angesichts der globalen Herausforderungen wohl auch notwendig.

Dabei gilt: Je konkreter das Investment-Objekt, desto klarer und nachvollziehbarer ist die Anwendung und Überprüfung der Kriterien möglich. Wer sein Geld vorzugsweise in Index-Fonds anlegt, wird zwar vermehrt mit ESG-Kennzahlen in Berührung kommen, diese jedoch in der Breite und Tiefe dieser Art von Investment kaum konkret bezeichnen oder beziffern können.

Sachwertinvestments in geschlossenen Fonds hingegen bieten für diese Art des ethisch verantworteten, geist-reichen Investments den enormen Vorteil der völligen Konkretion: Das Investmentobjekt ist genau bezeichnet und kann bis ins letzte Detail hinein beschrieben und beziffert werden.