Der Blick hinter die Kulissen der Aktienmärkte
Expertenkommentar unseres Kapitalmarktstrategen Stefan Schrader
Eine historische Rally
Die Aktienmärkte setzen auch im März ihren Aufwärtstrend fort und erreichen dabei viele neue Allzeithochs. Diese Entwicklung markiert eine der stärksten Rallyes der letzten 100 Jahre. Es ist erst das zehnte Mal seit 1950, dass es einen derart kontinuierlichen, starken Anstieg über 5 Monate gibt.
Die Rallye wird durch Rekordzuflüsse in US-Aktienfonds getrieben. Es ist inzwischen eine bemerkenswerte Angst vor dem Verpassen weiterer Kurssteigerungen zu beobachten (FOMO). Nachdem die Kursanstiege in Q4 letztes Jahr von sehr wenigen Titeln getrieben wurden, hat sich die Basis zuletzt verbreitert. Gerade im März gewann die Kurs-Rallye auch an Breite, wobei vor allem value-lastige Sektoren wie die Energiebranche deutlich zulegten. Das gibt den Optimisten Zuversicht für kurzfristig weiter steigende Kursbewertungen.
Spekulationen nehmen zu
Es zeigen sich jedoch vermehrt spekulative Auswüchse am Markt. Beispielsweise ist das Handelsvolumen von Optionen deutlich größer als das der zugrunde liegenden Basiswerte. Und auch die Stimmungsindikatoren deuten auf eine geradezu euphorische Stimmung hin. Das ist in der Vergangenheit ein verlässlicher Kontra-Indikator und Vorbote von Korrekturen gewesen. Risiken spiegeln sich aktuell nicht angemessen in den Kursentwicklungen wider. Am einfachsten ist das wahrscheinlich erkennbar für uns Deutsche: Wir haben eine Rezession und haufenweise Themen, die unseren Alltag beschweren. Der ifo Geschäftsklima-Index spiegelt die miese Stimmung der Unternehmen wider. Die Börse nicht. Denn der deutsche Aktienindex hat im ersten Quartal mehr als 10% zugelegt.
Diese Kognitive Dissonanz wird sich im Zeitablauf auflösen. Entweder dadurch, dass die Kursbewertungen den realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nachgeben oder wir kurzfristig einen massiven Wirtschaftsaufschwung erfahren. Wie Sie wahrscheinlich ahnen, gibt es aber leider aktuell keine substanziellen Vorboten eines kurzfristig anstehenden starken Wirtschaftsaufschwungs.
Kurzum:
Es ist davon auszugehen, dass die Schwankungsbreiten der Aktien jenseits des Atlantiks deutlich zunehmen. Auch eine spürbare Korrektur in den Kursen ist überfällig. Trotz der teilweise absurd hohen Bewertungen werde ich allerdings keine Crash Prognose auf breiter Basis abgeben.
Kurzfristig ist der Wunsch nach Finanzmarktstabilität so stark und von etlichen Seiten ausgeprägt, dass ein weiterer spekulativ getriebener Anstieg noch einige Zeit anhalten kann. Insbesondere von der Politik und den Demokraten in den USA wird viel dafür getan, dass im Vorfeld der US-Wahl im Herbst „nichts anbrennt“.
Zudem hat die sogenannte Marktbreite zugenommen. Der Aufschwung wird also seit geraumer Zeit nicht mehr von einer Hand voll Aktien getrieben, sondern steht auf mehreren Beinen. Auch das wirkt stabilisierend.
Zudem gibt es massive Bewertungsdispersionen. Wir sehen also auf der einen Seite sehr, sehr teure Aktien und auf der anderen Seite sehr günstige Aktien. Dieses Bild prägte schon das letzte Jahr und hat sich nun fortgesetzt.
Schlussfolgerung:
Wer noch keine Aktien hat, sollte wie IMMER starten, welche zu kaufen. Aktuell wohl eher mit ratierlichen Sparplänen als mit großen Einmalbeträgen und vor allem nicht in den hoch bewerteten Segmenten des S&P 500 oder des NASDAQ 100, den beiden Leitindices in den USA. Vielmehr bieten sich sogenannte Value Investments an.
Der übliche Kunde und Investor bei Hörtkorn Finanzen hat natürlich Aktien und Aktienfonds in beträchtlichem Umfang. Sollten Sie also zu den Glücklichen zählen und in den letzten Monaten diese inzwischen beträchtliche Erfolgswelle erwischt haben, dann gilt auch für Sie die Binsenweisheit: „Vom Gewinne mitnehmen, ist noch niemand ärmer geworden.“
Der Blick hinter die Kulissen der Immobilienmärkte
Parallel dazu zeigen sich erste Anzeichen für eine Bodenbildung bei den Immobilienpreisen. Auch wenn gegenwärtig noch negative Nachrichten medial deutlich überwiegen, wird von einigen Marktteilnehmern von einer ersten Stabilisierung des Sektors „Wohnen“ in Deutschland ausgegangen.
Für den Immobilienbereich gilt allerdings Ähnliches wie für den Aktienmarkt. Es gibt nicht „DEN MARKT“. In Zeiten wie heute ist besonders wichtig, analytisch zu unterscheiden. Es gibt die unterschiedlichsten Standorte und die unterschiedlichsten Nutzungsarten. Zudem ist der Immobilienmarkt fundamental eher von mittel- und langfristigen Wellen geprägt und nicht von erratischen Bewegungen.
Die Fallhöhe ist wichtig
Der zügigen und umfangreichen Korrektur der letzten 18 Monate gingen teils starke und bisweilen spekulative Preissteigerungen voraus. Die Korrekturen sind fast ausschließlich durch die massiven Zinssteigerungen ausgelöst, deren Umfang hängt jedoch auch von der Übertreibung aus den Vorjahren ab.
Das ist besonders deutlich in den USA zu erkennen. Den total übertriebenen Preissteigerungen an Standorten wie bspw. San Francisco, Los Angeles oder New York folgte nun ein massiver Preis Crash.
Es bleibt festzuhalten, dass das Zinsniveau aktuell zwar deutlich höher ist als vor 2 Jahren, jedoch im langfristigen Vergleich nicht außergewöhnlich hoch.
Der Anspruch steigt
Die Immobilie an sich muss also ihre Attraktivität als substanzstarkes Sachwertinvestment wieder mehr unter Beweis stellen, da es Zinsen als alternative Einnahmequelle gibt. Zudem machen die Finanzierungskosten Immobilieninvestoren zu schaffen, wenn die Rentabilität nicht über den Fremdfinanzierungszinsen liegt. All das ist zwar über einige Jahre hinweg weniger wichtig gewesen, für den erfahrenen Immobilienexperten jedoch nichts Neues.
Hauptgründe des Leerstands bei Büroobjekten?
Klar zeichnen sich inzwischen jedoch einige Entwicklungen im Immobiliensektor ab, die richtungsweisend sind. Im gewerblichen Bereich gibt es steigende Leerstände. Anders als von oberflächlichen Betrachtern jedoch unterstellt, liegt das nicht monokausal am Trend zum Homeoffice oder vergleichbaren Scheinargumentationen. Es gibt schlicht sich verändernde Anforderungen. Die Leerstände bei Gewerbeimmobilien finden nicht homogen verteilt statt. Ein Großteil der Leerstände wird von relativ wenigen Objekten verantwortet. Eine Prozentzahl über den Gesamtmarkt ist daher irreführend. So weist CBRE Econometric Advisors (ein führendes Analysehaus im Bereich Immobilien) darauf hin, dass 80% der Leerstände der vermieteten US-Bürogebäude von 10% der Objekte zu verantworten ist. Den Objekten fehlt es offenbar an Wettbewerbsfähigkeit, oder deren Standorte sind nicht als Büroobjekte zukunftsfähig.
Ich habe noch ein weiteres konkretes Beispiel für Sie mitgebracht, welches meines Erachtens gut veranschaulicht, dass hinter die Kulissen der medial katastrophentauglich dargestellten Zahlen geschaut werden sollte.
So steht London vor einem großen Problem für die Canary Wharf. Dabei handelt es sich um einen großen Bürogebäudekomplex mit über 75.000 Arbeitsplätzen. Vor einigen Jahren war es noch ein beliebter Hotspot für Büros der Top Unternehmen. Jetzt werden großvolumig Büroflächen aufgekündigt. Massiver Flächenleerstand entsteht und wird die Statistiken spürbar belasten. Die Kündigungen geschehen jedoch, weil die meisten Unternehmen für die doppelte und zuletzt auch noch gestiegene Miete im Zentrum lieber die halbe Fläche anmieten. Der Grund dafür ist, dass die Gestaltung der Arbeitsumgebung heutzutage wichtiger als die reine Grundfläche und der stumpfe Arbeitsplatz. Im Zentrum wird mehr Arbeitsplatzqualität geboten, lokale Netzwerke können besser gepflegt werden usw. Das rechtfertigt erheblich höhere und steigende Mieten, bei deutlich weniger Platz. Die Canary Wharf muss sich also neu erfinden, während in der Londoner Innenstadt für Immobilienbesitzer noch mehr Geld verdient wird.
Erfolgsfaktor: Langfristig berechenbare Parameter
Es wird auch in etlichen Innenstädten der Welt zukünftig anders aussehen als bisher. Umwidmungen von freiwerdenden Büroflächen zu Wohnraum sind beispielsweise auch in Deutschland absehbar. Erste Förderprogramme werden politisch diskutiert. Gerade in Deutschland haben wir ja ein strukturelles Problem mit dem Wohnraum. Von politisch geplanten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wurden selbst in den Boom Zeiten kaum mehr als 200.000 geschafft. Im Herbst diesen Jahren kommt das Angebot neuer Wohnungen in Deutschland quasi zum Erliegen, da dann die vor zwei Jahren – noch in Boom Zeiten – begonnenen Baustellen endgültig fertiggestellt sein werden.
In den letzten 18 Monaten sind praktisch kaum noch Neubauprojekte gestartet worden. Vonovia, Deutschlands größter Wohnungsbesitzer mit über 500.000 bewirtschafteten Einheiten, hat beispielsweise alle Neubauprojekte auf Eis gelegt. Das allein sind 60.000 Einheiten gewesen.
Nun agiert die Politik und hat jüngst die degressive AfA für Neubauten verabschiedet, was schlagartig Investments wieder attraktiver und in der Regel Cashflow positiv macht. Man wird also auch hier wieder zyklische und zeitverzögerte Bewegungen sehen.