Investment-Blog

Johannes Martin Weise, Priester

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Inhalt:

Jesus vertrieb die Händler aus dem Tempel. Wie ethisch kann Finanzhandel sein?

Interview mit Priester Johannis Martin Weise zur ethischen Perspektive von Kapitalanlagen.

Herr Weise, als Vertreter der christlichen Weltanschauung und ehemals Finanzverantwortlicher einer kirchlichen Einrichtung interessiert uns Ihre Haltung zu Kapitalanlagen mit Gewinnerzielungsabsicht. Wie denken Sie da grundsätzlich?

Die Anlage von Kapital stellt eine Grundfunktion unseres Wirtschaftssystems dar. Ob das ethisch im Einklang mit der christlichen Lehre ist oder nicht, beantwortet sich für mich schon eine Ebene darüber: Dient dieses Wirtschaftssystem zuerst den Menschen oder den Kapitalisten? Und das wiederum ist meiner Ansicht nach in Deutschland nicht einheitlich zu beantworten.

Die Marktwirtschaft fußt in der Annahme, dass es für alle zum besten Ergebnis kommt, wenn alle miteinander in Konkurrenz stehen: Es führt zu Innovationen, niedrigeren Preisen, optimalem Materialaufwand bei bestem Ergebnis und vielem anderem mehr. „Alle miteinander in Konkurrenz…“ ist allerdings keine christliche Grundaussage über uns Menschen. Nur passt es wiederum gut in den christlichen Wertekanon, wenn es am Ende unserer Gemeinschaft dient. Und da beginnt für viele eine grundsätzliche Auseinandersetzung: Dienen Waffengeschäfte unserer Gesellschaft? Ist Gendesign unsere Zukunft? Atomkraft „ja“ oder „nein“? Dient die Zuckerindustrie auch unserem Wohl? Was sind wir bereit für billiges Fleisch zu opfern? Also: Die Effizienz des Kapitalismus ist der eine Aspekt, die Effekte wollen aber auch bewertet sein.

Ein weiterer möglicher Nachteil einer kapitalistisch orientierten Marktwirtschaft entsteht bei denen, die in dieser Konkurrenzsituation den Kürzeren ziehen. Es gibt genug soziale Gruppen in unserem Land, bei denen das praktisch immer der Fall ist. Oft genug hat dieser Umstand auch nichts mit Leistung oder Verantwortung zu tun, sondern mit Herkunft, Beziehungen, Geburts- und Wohnort, Zugang zu Bildung etc. Diese Ungleichgewichte zu ignorieren wäre beispielsweise unchristlich. Wirtschaftliche Aktivitäten, die diese Ungleichgewichte verstärken, würde ich nicht als ethisch anerkennen. Politisch versucht unser Staat das mit der SOZIALEN Marktwirtschaft aufzufangen.

Allerdings kenne ich in den entwickelten und komplexen Gesellschaftsformen noch keine bessere Alternative, die nachhaltig funktioniert: Selbst China, Nordkorea oder Kuba sehe ich als grundsätzlich kapitalistische oder „staatskapitalistische“ Volkswirtschaften an. Insofern erscheint mir dieses globale Wirtschaftssystem derzeit alternativlos. Umso wichtiger ist seine ethische Gestalt.

Aber ist es denn ethisch in Ordnung, wenn man sein Geld investiert, um damit Ertrag zu erzielen?

Wie gesagt: das Investieren erfüllt eine wesentliche Funktion innerhalb unseres Wirtschaftssystems. Ich stelle mit einem gewissen Risiko mein Geld zur Verfügung, damit andere Menschen etwas damit machen können. Das dient möglicherweise nicht nur meinem Ertrag, sondern macht auch gesellschaftlich sinnvolle Investitionen möglich. Vielleicht setzt jemand mit meinem Geld eine Idee um, die zu wichtigen und guten Veränderungen führt? Wenn die Unternehmung Erfolg hat, werde ich für meine Risikobereitschaft mit Zinsen oder anderen Erträgen belohnt. Ich denke, das kann sehr wohl ethisch in Ordnung sein – je nachdem, nach welchen Maßstäben man die Investition aussucht.

Für mich beantwortet sich diese Frage also im Einzelfall: Dient diese wirtschaftliche Aktivität in erster Linie unserer Gesellschaft oder ist der Nutzen fast ausschließlich auf Seiten der Kapitalisten? Verstärken und verhärten wir damit ungesunde Ungleichgewichte oder dienen die Erträge sinnvollen Zielen? Um ein Beispiel zu nennen: Wer mit einer wirtschaftlichen Aktivität nachhaltige Energie produziert und so den Energiewandel voranbringt und mit den Erträgen humangesellschaftlich wertvolle Aktivitäten fördert, wie es bei Stiftungen ja durchaus der Fall sein kann, der handelt aus meiner Sicht uneingeschränkt ethisch. Finanzhandel in Form von Kapitalanlagen mit Gewinnerzielungsabsicht ist in so einem Modell demnach auch ethisch unbedenklich.

Und es gibt die Gegenbeispiele: Wenn ich mich an biologischen Forschungseinrichtungen beteilige, dient mein angelegtes Geld möglicherweise der Herstellung genveränderter Lebensmittel, die wissenschaftlich von zweifelhaftem Nutzen für unsere Umwelt sind. Wenn ich in bestimmte Wirtschaftszweige investiere, unterstütze ich vielleicht den internationalen Waffenhandel. Ob ich als gesundheitsbewusste Mutter oder Vater gern in gezuckerte Babynahrung investieren möchte oder dieses Risiko einfach ausblende und nur auf meinen Ertrag blicke und so weiter: Die Maßstäbe für „okay“ und „nicht okay“ sind oft individuell. Aus kirchlicher Sicht gibt es da aber ein paar Grundprinzipien.

An welche Prinzipien denken Sie dabei?

Ich denke an Prinzipien, die wir heute als Menschen in freien Gesellschaften in einem allgemeinen Wertekatalog teilen. Dieser Wertekatalog wurde wesentlich vom Christentum aber auch von einem aufgeklärten Humanismus geprägt. Auf diesen Prinzipien ruht auch unsere Verfassung. Und diese Prinzipien gewinnen bei Kapitalanlagen an Bedeutung; je aufgeklärter und informierter die Welt wird, desto mehr Bedeutung gewinnen diese Prinzipien. Das Umweltverträglichkeitsprinzip ist dabei nur eines, das aktuell besonders herausragt. Gewaltfreiheit ist ein weiteres ebenso wie die Sinnhaftigkeit des wirtschaftlichen Handelns, das finanziert werden soll und noch weitere Prinzipien, die wir unserem christlich-humanen Wertekanon zuordnen.

Bei mir als Priester waren diese ethischen Prinzipien in der Tradition meiner Kirche schon immer höchst relevant. Doch heute legen immer mehr Investoren Wert darauf, Unternehmen wie Privatleute gleichermaßen. Inzwischen sind ethische Maßstäbe beim Investieren so wesentlich für die Menschen, dass sie in Standards für Kapitalanlagen eingeflossen sind und immer häufiger als Entscheidungskriterien dienen. Es gibt zahlreiche Institutionen, die sich auf die Zertifizierung von Kapitalanlagen nach eigenen Standards spezialisiert haben. Sie ermöglichen es heute allen, mehr mit ihren Investitionen zu erreichen, als nur Erträge zu erzielen. Bei Alternativen Investmentfonds, vor der gesetzlichen Regulierung im Jahr 2013 als „Beteiligungen“ bekannt, ist die Einhaltung dieser Prinzipien übrigens besonders leicht für die Investoren zu kontrollieren.

Klingt als wäre das sprichwörtliche „gute Gewissen“ heute ein bedeutender Mehrwert nicht nur beim Konsum, sondern auch bei Kapitalanlagen.

Das ruhige Gewissen, dass man sein Geld nur für Dinge zur Verfügung stellt, die man für umweltkonform, wirtschaftlich sinnvoll, friedenstiftend, nicht gesundheitsgefährdend etc. erachtet, ist wesentlich für aufgeklärte Menschen. Diese „innere Ruhe“ oder auch der Seelenfrieden ist ein Faktor für Lebensqualität, der bei leistungsorientierten Menschen praktisch unabdingbar ist. Auch wenn bei Kapitalanlagen die vollkommene „innere Ruhe“ schwer zu erreichen ist; immerhin geht man als Investor Risiken ein. Aber das Gefühl, einfach das Richtige zu tun, hilft.

Sie erwähnten, dass Investoren Alternativer Investmentfonds (AIF) ethische Prinzipien besonders gut zur Anwendung bringen können. Wie geht das?

Das Schlüsselwort dazu heißt Transparenz. Durch die Regulierung dieser Anlageklasse im Jahr 2013 genießen Anleger weitgehende Rechte und hohen Schutz. Es ist bei jedem Investment dieser Kategorie verbindlich offengelegt, worin das Geld investiert ist. Ob das wirtschaftlich sinnvoll und moralisch einwandfrei ist, sieht man so häufig schon auf den ersten Blick. Immer öfter erfüllen die Anlageobjekte in die investiert wird, bspw. in Punkto Nachhaltigkeit und Umweltkonformität die zuvor bereits erwähnten Standards und sind entsprechend zertifiziert.

Transparenz und Verbindlichkeit dieser Anlageklasse sind unvergleichlich hoch bspw. gegenüber Aktienfonds. Selbst wenn Sie Aktientitel eines Energieerzeugers direkt erwerben, haben Sie keine Einsicht in die Aktivitäten, die mit Ihrem Geld finanziert werden. Bei AIF steht das ganz genau und rechtlich bindend im Zeichnungsprospekt. Wenn es heißt, „Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien mit Windkraft und Solarenergie“ dann können sich die Anleger darauf verlassen, dass Sie ausschließlich damit ihre Erträge erwirtschaften und nicht nebenbei noch mit Beteiligungen an peruanischen Lithiumminen. Daher ist die Überprüfung der Einhaltung ethischer Prinzipien bei AIF für Anleger in der Regel leicht. Wer hierin investiert, kann „guten Gewissens“ investieren.

Gutes Gewissen schön und gut: Wie steht es um die Risiken?

Sie haben Recht: schließlich geht es um Kapitalanlagen, nicht um Sachspenden für gute Zwecke. Nach meinen Erfahrungen ist der sicherste Weg, die Risiken gering zu halten, unabhängige Expertise für die Anlageentscheidung zu nutzen. Also die gute alte Beratung. Aber mein Schwerpunkt liegt hierbei inzwischen auf „unabhängig“, das war früher anders. Da waren etablierte Beziehungen ausschlaggebend für das vergebene Vertrauen.

Moment: Kommt man nicht viel besser zum Ziel, wenn man das Internet richtig nutzt und sich die Beratungskosten spart?

Das kommt drauf an. Kapitalanlagen, so hochwertige wie Alternative Investmentfonds allemal, sind nicht mit Kfz-Versicherungen gleichzusetzen. Natürlich können Sie hergehen, und die Eckdaten vergleichen – Investitionsobjekt, Ausschüttungsprognose, Laufzeit, Mindestanlage, Agio. Aber einer dieser unabhängigen Experten, den ich persönlich auch sehr schätzen gelernt habe, sagt dazu immer: „Der Koch ist entscheidend, nicht die Speisenkarte.“

Ob ich ein Investment wirklich zeichnen sollte, hängt also nicht bspw. vom geringeren Agio, der höheren Renditeprognose oder der kürzeren Laufzeit ab, sondern zuallererst wiederum von der Asset Expertise des Investmentanbieters sowie im Weiteren von der wirtschaftlichen Kalkulation des Investments, der Konjunktur des Investitionsmarktes, bestimmten Merkmalen des Anlageobjekts usw. usf. Kurzum: Wenn Sie unabhängige Expertise in dieser Anlageklasse für sich nutzen, dann brauchen Sie nur noch zu prüfen, ob das Investmentangebot gut zu Ihren Anlagezielen passt und ob es Ihre ethischen Anforderungen erfüllt. Um die grundsätzlichen Qualitäten des Angebotes müssen Sie sich nicht mehr sorgen. Die sind professionell geprüft worden. Das vermindert die Risiken enorm, die sonst bei dieser Anlageklasse durchaus vorhanden sind.

Ich kann als Anleger zwar sofort erkennen, ob ein Gebäudeneubau umweltzertifiziert ist, aber ich sehe nicht, ob die Betriebskalkulation stimmig ist, ob das Baukonzept den Standortanforderungen entspricht, ob die Mietenkalkulation aufgeht, ob der Kaufpreis angemessen war usw. Wenn Sie das alles selbst prüfen wollen, werden Sie schnell merken, dass das Arbeit ist, die viel Know-How erfordert. Man spart womöglich nicht einmal Geld, weil bei den Investments der Wahl kein Kostenunterschied besteht, ob ein Vermittler genutzt oder direkt gezeichnet wird. Am Ende muss das jeder für sich selbst entscheiden. Ich spreche hier nur von meinen Erfahrungen. Und die sagen: Professionelle Unterstützung zahlt sich aus.

Herr Weise, danke dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen.
Das Interview führte Norbert Henrichs, freier Redakteur, Hamburg und München.