Investment-Blog

Johannes Martin Weise, Priester

0'

geschätzte Lesedauer

Inhalt:

„Hilfe, der Zins ist weg!“

Warum Zinsen dauerhaft wegfallen und welche Konsequenzen das für Kirchen und Stiftungen hat

Seit der Finanzkrise vor etwas mehr als 10 Jahren sind die Leitzinssätze der allermeisten bedeutenden Notenbanken auf historischen Dauertiefständen. Dieser Leitzinssatz dient den einzelnen Ländern als Instrument, um die kurz- und langfristigen Kosten zur Beschaffung von Kapital für Unternehmer und andere Wirtschaftssubjekte möglichst niedrig zu halten. Wenn Kredite günstig zu haben sind, wird – so der Plan – entsprechend viel investiert, und das kurbelt die Wirtschaftsleistung insgesamt an. Wenn die Wirtschaftsleistung wächst, geht es den Unternehmern gut, damit den Arbeitnehmern, damit allen Steuerzahlern, und damit letztlich auch dem Staat, der auf die Steuereinnahmen angewiesen ist – und am Ende haben also alle etwas davon, wenn es der Wirtschaft gut geht. Soweit die Theorie.

In den Jahren nach der großen Finanzkrise hat es keine der großen Notenbanken gewagt, den Leitzinssatz nach den eminenten Senkungen wieder signifikant anzuheben: Als zu groß wurde das Risiko empfunden, dass man die sensible und anfällige Stimmung an den Aktienmärkten durch einen solchen Schritt nachhaltig eintrübt, und die Börsen sind nun einmal wichtige Schrittmacher bei der gewünschten wirtschaftlichen Konsolidierung vieler Länder.

In diese Situation hinein ereilte die Weltwirtschaft nun die COVID-19-Pandemie. Viele Länder fuhren mit sogenannten lockdown-Maßnahmen das gesamte öffentliche und wirtschaftliche Leben herunter, um der Ausbreitung und Auswirkungen des Virus zunächst einmal auf der Ebene der Gesundheitssysteme Herr zu werden. Mit Beginn der Maßnahmen war weitgehend klar, dass sie zu massiven wirtschaftlichen Einbußen führen würden, und mittlerweile sehen wir diese Entwicklung klaren Auges auf uns zukommen. Fast alle Branchen klagen über erhebliche Umsatz-, Absatz- und Gewinnrückgänge. Und wenn es den Unternehmen schlecht geht, geht es über kurz oder lang auch den Arbeitnehmern schlecht – die umgekehrte Entwicklung zu der oben geschilderten setzt ein. Für den Staat bedeutet das, dass auch er mit erheblich sinkenden Steuereinnahmen zu rechnen hat.

Welches Instrument bleibt ihm übrig, wenn die Leitzinssätze als Hauptinstrument zur Wirtschaftsförderung bereits im Keller sind? Er versucht, nicht nur durch Hilfspakete die entstehenden Härten der Rezession abzufangen, sondern auch mit massiven staatlichen Investitionen bestimmte Kernbereiche des Wirtschaftssystems wieder in Schwung zu bringen. Da er für beide Maßnahmen nicht auf sprudelnde Steuereinnahmen zurückgreifen kann – siehe oben – , kann er das nur durch Verschuldung finanzieren. Schulden aber haben ihren Preis: Das Geld muss irgendwann und mit Zinsen zurückgezahlt werden.

Weil das so ist, muss man kein Fachmann sein für die Einschätzung, dass die Leitzinssätze der Notenbanken lange Zeit auf sehr niedrigem Niveau bleiben werden – andernfalls würden sich die Staaten ja selbst in die Zahlungsunfähigkeit treiben. Von diesen Leitzinssätzen wiederum sind aber die Zinssätze der Geldinstitute abhängig: Sie können eigentlich nur dann gute Zinsen für Geldeinlagen in ihrem Institut anbieten, wenn sie selbst dieses Geld bei der Notenbank gut verzinsen können; was aber eben nicht der Fall ist.

Gute Zinsen auf Geldeinlagen, Staatsanleihen und ähnliche Anlageformen sind also eine Sache der Vergangenheit.
Das mag man nun bedauerlich finden, aber warum gleich um Hilfe schreien wie in der Überschrift über diesen Artikel?

Eine bestimmte Gruppe von Anlegern wird vom Wegfall der staatlich garantierten Verzinsung von Einlagevermögen besonders hart getroffen: Diejenigen, die bisher aus diesen Zinserträgen die Zwecke ihrer Institutionen finanziert haben. Das sind insbesondere Kirchen und Stiftungen. Sie sind in besonders hohem Maße an stabilen Zinserträgen und sicheren Anlageformen interessiert, die Risikobereitschaft im Investitionsbereich tendiert gegen Null – mit guten Gründen, handelt es sich doch um „anvertrautes Geld“, bei dem die Höhe der Rendite ab einem bestimmten Punkt absolut nicht im Vordergrund steht.
Der Grundmechanismus ist in diesen Institutionen ja der, dass es eine bestimmte Summe XY (die Stiftungssumme) gibt, die selbst nicht ausgezahlt („angefasst“) werden darf. Sie dient lediglich dazu, (meist) jährliche Erträge zu erwirtschaften, aus denen heraus das Stiftungsziel jährlich neu finanziert wird. Andernfalls würde das Stiftungsvermögen jedes Jahr weniger, und irgendwann könnte die Stiftung ihren Satzungszwecken mangels Geldvermögen nicht mehr nachkommen.

Um den dramatischen Wandel der Zinssituation an einem Beispiel deutlich zu machen, nehmen wir eine kleine Stiftung mit 100.000 € Stiftungssumme an, die begabte Kunst-Studenten mit 1.000 DM/€ jährlich fördern möchte.
Wenn sie im Jahr 1990 ihre einhunderttausend D-Mark zur Bank gebracht hat, konnte sie selbst im schlechten Fall einer reinen Sparbuchverzinsung innerhalb von vier Jahren 11.350 DM erwirtschaften – und damit 11 Studenten unterstützen. Um heute das vergleichbare Ergebnis zu erzielen (will heißen: die gleiche Summe in Euro), müsste man über 560.000 € , also mehr als fünfmal soviel Geld, auf dem Sparbuch anlegen! Oder man müsste eben damit leben, dass man nur noch zwei Studenten unterstützen kann, weil man mit 100.000 € in vier Jahren auf dem Sparbuch nur noch gut 2.000 € erwirtschaftet. (In den Jahren 1990-1994 wurde ein Sparbuchguthaben mit 2,5-2,8 % verzinst, heute kann man froh sein, wenn man 0,5% Zins bekommt.)

Genau dieses Szenario zeichnet sich nun für Stiftungen am Horizont ab: Faktisch wird das Stiftungsvermögen bei 1-2% Inflation und 0,5% Zinsen ja jedes Jahr weniger, zumindest in der Kauf-/Investitionskraft.
Manch Vermögensverwalter einer Stiftung war möglicherweise schon in den vergangenen Jahren zögerlich mit Anlagen, weil sich an den Aktienmärkten und verschiedenen anderen „Barometern“ der wirtschaftlichen Entwicklung nicht so recht ein klares Bild abzeichnen wollte, wohin denn nun die Reise geht – weiter langsam aufwärts, oder kommt eine mittelfristige Trendwende? Sollte man mit Investitionen noch warten? Welchen Entwicklungen in welchen Bereichen ist zu trauen, wo sollte man vorsichtig sein?

Die Aussicht auf dauerhaft niedrige Zinsen ist geradezu existenzgefährdend in diesem Bereich – soweit die schlechten Nachrichten!

Wer dieser Realität ins Auge sieht, wird sich mit anderen Möglichkeiten einer renditestabilen Geldanlage beschäftigen müssen – und damit sind wir bei den guten Nachrichten: Es gibt diese Möglichkeiten. Der historisch gewachsene (und damals ja auch gut begründete) Fokus auf Staatsanleihen verstellt heute gerne den Blick dafür, dass es andere Anleiheformen auf dem Markt gibt, bei denen eine Verzinsung erreichbar ist, die ausreichend Mittel zum Verfolgen des eigentlichen Stiftungszwecks zur Verfügung stellt.

Das Stichwort, das bisher weitgehend eine Beschäftigung mit anderen Anlageformen verhindert hat, heißt „Risiko“ bzw. „Risikominimierung“: Wer staatliche Anleihen kauft, insbesondere von Deutschland oder anderen starken Wirtschaftsnationen, geht im Grunde genommen keinerlei Risiko mit dieser Geldanlage ein. Denn wir rechnen nicht damit, dass der Staat, von dem die Anleihe gekauft wird, innerhalb der Anlagefrist bankrott geht und somit weder die Einlage noch die Zinsen (zurück-)zahlen kann.

Wer in der jetzigen Situation notgedrungen außerhalb des Bereiches staatlicher Anlagen nach risikominimierten Anlagemöglichkeiten sucht, sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, dass er gewissen Risiken ins Auge schauen muss: Wer weiß schon, ob diese oder jene Branche, dieses oder jenes Unternehmen, diese oder jene Immobilie in 10 Jahren noch existiert und Erträge erwirtschaftet? Das ist tatsächlich der große Unterschied zu Staatsanleihen.

Allerdings: Mit diesem Risiko leben private, semiprofessionelle und professionelle Kapitalmarkt-Anleger seit einigen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, und Tatsache ist, dass viele von ihnen gut damit – und davon! – leben. Was seriöse Anlageberater und Anleger berücksichtigen, ist eine sogenannte Risikostreuung durch Portfoliodiversifikation: Man legt das/sein Geld nicht in EIN EINZIGES Unternehmen oder EINE EINZIGE Immobilie (EINE EINZIGE Branche, …) an, sondern streut das investierte Vermögen einigermaßen breit. Geht es nun EINEM Unternehmen möglicherweise schlecht, so dass sich der Aktien- oder Anleihekurs verringert, wird das gegebenenfalls von den guten Entwicklungen eines anderen Unternehmens, von dem man Anteile erworben hat, mehr als kompensiert. Genau dazu dienen die vielen Fonds, die es mittlerweile auf dem Markt gibt: In ihnen wird Geld von vielen einzelnen Investoren gesammelt und damit ein breites Spektrum an Investments getätigt, ob im Immobilien-, Sachwert- oder Unternehmensbereich.

Durch solche Streuungen entgeht man dem Risiko, dass sich einzelne Unternehmen, bestimmte Immobilien oder auch ganze Branchen möglicherweise negativ entwickeln – man ist, wie man heute so schön sagt, „breit aufgestellt“.

Insbesondere bei Unternehmensanleihen und Immobilienfonds ist das eingegangene Risiko stark reduziert: Bei Unternehmensanleihen dadurch, dass man nicht unmittelbar an den Aktienkurs des Unternehmens gekoppelt ist und auch durch die Anleihe nicht zum Teilhaber des Unternehmens wird (der in Höhe der gekauften Aktien praktisch mit seinem Vermögen „mithaften“ würde bei einem Bankrott). Im Falle des Immobilienfonds steht im Hintergrund eben genau das, was der Begriff sagt: eine Anzahl von Immobilien, die auch bei negativer wirtschaftlicher Entwicklung Gebäude mit einem Wert bleiben – ein „Totalausfall“ ist extrem unwahrscheinlich.

Staatlich garantierte Zinsen gehören wohl leider der Vergangenheit an – aber dem risikoscheuen Investor bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, auskömmliche laufende und ausschüttungsfähige Erträge zu erzielen.
Eine seriöse Anlageberatung wird hier gute Wege aufzeigen können.