Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben!
Gastbeitrag von Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei ACATIS Investment.
Beginnt die Geldmenge schneller zu wachsen, folgt mit gewisser Zeit Verzögerung auch ein Anstieg der Verbraucherpreisinflation. Diese Gleichung schrieb der Nobelpreisträger und wohl bekannteste Monetarist Milton Friedman in sein Buch“ Geld regiert die Welt“, das Ende der achtziger Jahre im Econ Verlag erschien. Es war neben den Büchern von André Kostolany eines der ersten, das ich über Wirtschaft und Finanzmärkte las.
Friedmans Schlussfolgerung war schlichtweg das Ergebnis einer empirischen Betrachtung. Denn bis dahin hatte es diesen Zusammenhang stets gegeben. Doch die Druckerschwärze war noch nicht getrocknet, da galt genau dieser Grundsatz nicht mehr. Denn ab Anfang der Neunzigerjahre wuchs die Geldmenge und mit ihr die Verschuldung – beides geht immer Hand in Hand, weil in unserem Wirtschaftssystem neues Geld stets durch neue Verschuldung erfolgt – ohne dass die Verbraucherpreisinflation zu steigen begann. Was man zuvor beispielsweise in den siebziger Jahren betrachtet hatte, fand plötzlich nicht mehr statt.
Weniger deflationäre Tendenzen durch Globalisierung
Denn bedingt durch den technischen Fortschritt und die Globalisierung traten starke deflatorische Faktoren zutage, die man so geballt zuvor noch nicht erlebt hatte und die auch heute noch wirken. Die Automatisierung der Produktion und die Verlagerung dessen, was nicht automatisiert werden konnte in Billiglohnländer, sorgte dafür, dass vor allem die Preise für in Massenproduktion hergestellte Güter immer günstiger wurden. Ob technische Produkte wie Fernseher oder auch Bekleidung, für vieles bezahlen wir heute weniger als vor 30 Jahren vor allem wenn man es in die Relationen zum verfügbaren Einkommen setzt. So kostet ein neuer Fernseher heute nicht einmal ein Fünftel dessen vom durchschnittlich verfügbaren Einkommen eines deutschen wie 1980. Und bei Kik, Primark oder auch H&M gibt es Bekleidung zu Preisen, wie wir es früher nicht kannten.
Preistransparenz durchs Internet
Dazu kam die Preistransparenz durchs Internet aber auch die Deregulierung von Märkten, die zu Preissenkungen führte, wie dem Telekommunikationsmarkt oder dem Flugverkehr, wenn man es aus deutscher Perspektive betrachtet. Und so erlebten wir eine Phase von Jahrzehnten, in der die Inflationsrate immer im Bereich von zwei Prozent lag, der Zielgröße der Notenanken. Oftmals lag sie auch darunter.
Eine Einladung für die Notenbanken
Diese Tatsache eröffnete den Notenbanden ganz neue Opportunitäten der Krisenbekämpfung. Denn in jeder aufkommenden Wirtschafskrise, begonnen mit dem radikalen Börsenkrach 1987 über das Platzen der Internetblase im Jahr 2000, den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008, konnten die Notenbanken sofort die Zinsen senken und Geld ins System pumpen.
Hatte dies früher zu Inflation geführt, war dies plötzlich nicht mehr der Fall. Zwar stiegen gewisse Preise schon schneller als zwei Prozent pro Jahr, wie Mieten in Ballungsräumen, die Kosten der Gesundheitsversorgung oder auch Lebensmittel, die Preissteigerung wurden aber eben durch Preissenkung in den oben genannten Bereichen ausgeglichen.
Stark steigende Verschuldung – trotzdem weniger Zinslasten
Doch diese Krisenbekämpfung hatte auch ihren Preis: Die Verschuldung hat sich in Relationen zur Wirtschaftsleistung in den vergangenen Jahrzehnten weltweit mehr als verdoppelt. Plastisch ausgedrückt mussten für jeden Dollar, Euro, Yen oder chinesischen Yuan neues nominales Bruttoinlandsprodukt über zwei Dollar, Euro, Yen oder Yuan an neue Schulden gemacht werden.
Das ist derzeit kein Problem, da bei den tiefen Zinsen die Zinslast heute sogar deutlich geringer ist als in der Zeit, in der die Verschuldung viel geringer war, die Zinsen aber höher notierten. Nur ist dadurch eine Abhängigkeit von den extrem tiefen Zinsen entstanden, die die Notenbank bei einem Anziehen der Inflationsraten quasi machtlos dastehen lässt.
Kurzum, solange es keine Verbraucherpreisinflation gibt, ist das System nicht in Gefahr. Wer von Währungsreform, Staatsbankrott oder Zusammenbruch des Finanzsystems redet, hat nicht verstanden, wie das Papiergeldsystem funktioniert. Doch so langsam zeichnet sich am Horizont ab, dass diese komfortable Situation dem Ende entgegenläuft.
Die Inflation steigt zuletzt deutlich – 3,8 % und 5,4 %
Um 3,8 Prozent stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland zuletzt, in den USA waren es bereits 5,4 Prozent. Darin enthalten sind sicherlich auch Basiseffekte aufgrund der Pandemie und dem Wiederöffnen der Wirtschaft, die irgendwann auslaufen, aber es gibt durchaus Inflationstreiber, die uns länger begleiten werden.